Werfen Sie einen Blick
hinter die Kulissen.
Schlamperei durch Hektik?
Neue Aufgaben für die PR
Kommunikation wird immer schneller. Leider hält das Fachwissen der Journalisten mit diesem Trend nicht Schritt. Mit diesem Fazit über die Entwicklung der Arbeit mit Medien hat sich Jörg Howe nicht nur Zustimmung eingeholt. Der Deutsche Journalistenverband wehrt sich heftig gegen die Unterstellung, in den Redaktionen werde schlampiger gearbeitet. Grund sei vielmehr die Überlastung, die dort herrsche, heißt es da. Wer hat nun recht: Der streitbare Chef-Kommunikator der Daimler AG oder der Journalistenverband?
Um es vorweg zu nehmen: beide Seiten haben einen heiklen Punkt getroffen. Viel interessanter sind jedoch die Folgen dieser Entwicklung, die Pressestellen in Industrie, Verbänden oder auch kleineren Unternehmen nicht mehr ignorieren können. Zumindest, wenn sie eine umfassende und fachlich saubere Medienresonanz erwarten.
Fakt ist, dass in den Redaktionen immer weniger Journalisten immer mehr Aufgaben bewältigen müssen. Das hängt einerseits mit der angespannten Lage in vielen Medienhäusern zusammen. Frühere Geldquellen wie die Anzeigen rund um Stellenmarkt, Immobilien oder Autoverkäufe sind ins Internet abgewandert. Entsprechend wird gespart – erst recht bei der Personalausstattung.
Die Flut der Informationen hat einerseits dramatisch zugenommen und das in immer kürzeren Zeitabständen. Die Arbeit von Journalisten ist dadurch noch hektischer geworden. Ein Beispiel: Früher haben Politiker über Pressekonferenzen und Termine vor Ort ihren Standpunkt der Öffentlichkeit vorgestellt. Das war für die Redaktionen planbar. Heute kommuniziert selbst der US-Präsident an der eigenen Pressestelle vorbei spontan über Twitter.
Das führt zum nächsten Dilemma: Soll man die Aussage erst prüfen, oder gleich senden? Der Druck – immer hochaktuell sein zu müssen - ist gewaltig. Da geht manches ungeprüft raus. Zeit zur Recherche ist oft Luxus. Zeitungsredakteure schreiben heute nicht nur für das Blatt von morgen, sondern müssen gleichzeitig auch noch den Onlinekanal bedienen. Der US-Präsident nutzt diese Hektik und verbreitet erfolgreich Meldungen mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt. Langfristig bleibt so die Glaubwürdigkeit der Medien auf der Strecke. Das kann nicht im Interesse von uns allen sein.
Berichterstattung über Unternehmen ist für Journalisten durch immer komplexere Produkte ebenfalls ein schwieriges Pflaster. Wer kann schon genau erklären wie Ad-Blue die Schadstoffe eines Dieselmotors bindet? Und wie angreifbar sind unsere vernetzten Geräte wirklich? Diesen Fragen sind früher vor allem spezialisierte Journalisten mit intensiver Recherche nachgegangen. Heute soll nicht selten am gleichen Tag über Diesel und IT-Probleme geschrieben werden. Von dem gleichen Redakteur wohlgemerkt.
Damit die komplexen Zusammenhänge überhaupt noch verstanden werden, müssen die Kommunikationsabteilungen folglich in Vorleistung gehen und die Themen entsprechend mediengerecht aufbereiten. Das setzt aber journalistisches Grundlagenwissen in den Pressestellen voraus. Fakten, Grafiken und Bilder sind gefragt und kein Marketing-Geschrobel. Journalisten klagen nämlich auch über mangelndes Fachwissen ihrer Gesprächspartner in Industrie, Verbänden und erst recht in mittelständischen Unternehmen. Wer hier also professionelle Arbeit anbietet, kann sich viele Meriten bei den Medien verdienen und dringt mit seinen Botschaften durch den Nachrichten-Dschungel bis in die Zeitung oder in die TV-Sendungen durch.
Fazit also: nicht nörgeln sondern handeln. Die immer schnellere Informationsgesellschaft nimmt die PR-Arbeit zunehmend in die Pflicht. Viele Arbeiten, die früher in den Redaktionen geleistet wurden, siedeln sich zunehmend in den Presseabteilungen an. Themen vorrecherchieren, Bilder, Infografiken oder Videos produzieren und anbieten sowie Hintergründe mit entsprechenden Veranstaltungen erläutern. Auch eigene gut aufbereitete Publikationen tragen dazu bei, dass Interessensgruppen die Arbeit des Unternehmens oder des Verbandes verstehen. Erfolgreiche Kommunikationsabteilungen haben dies erkannt und handeln entsprechend. Wer sich verweigert, wird entweder gar nicht wahrgenommen oder – beispielsweise in einer Krisensituation – völlig falsch dargestellt. Das ist die Folge einer schlechten Kommunikationsstrategie und nicht nur das Ergebnis schlampiger Medienleute.
Das Interview mit Daimler-Kommunikationschef Jörg Howe finden Sie hier.